Im Jahr 1586 erhielt El Greco einen Auftrag der Kleriker der Kirche Santo Tomé in Toledo. Noch heute befindet sich das Bild am gleichen Ort in der Kapelle der Maria Empfängnis. Der Vertrag mit El Greco lautete wiefolgt:
‘Die rechte Wand der Kapelle soll vom Gewölbeansatz bis zum Epitaph vollständig mit einer Malerei auf Leinwand bedeckt werden. Auf der Leinwand soll eine Prozession der Priester und Kleriker dargestellt werden, wie sie das Begräbnis von Don Gonzalo Ruiz de Toledo, Herr von Orgaz, vollziehen. Dazu sollen auch die Heiligen Augustinus und Stephanus dargestellt werden, wie sie aus dem Himmel steigen, um den Körper des Ritters zu begraben. Einer möge den Kopf, der andere dessen Beine halten und in derart im Grab platzieren. Um das Grab stehen viele Menschen, die zuschauen und darüber öffnet sich der Himmel.»
Das Ereignis, welches im Bild dargestellt werden sollte, passierte laut Legende im Jahr 1312. Spätestens mit der oben zitierten Quelle sind die wichtigsten Protagonisten des Bildes identifizierbar: der Hl. Stephanus, der Graf von Orgaz und der Hl. Augustus. Die elliptische Komposition und die kräftigen Gelb-, Orange- und Rottöne setzen diese Gruppe vom Rest des dunklen Hintergrundes ab. Jene Farben sind im oberen Teil des Bildes wieder aufgenommen. Neben Jesus und Maria, erkennen wir die Hl. Petrus und Johannes. Der spanische König Philip II und Papst Sixtus V sind ebenfalls Teil des himmlischen Personals. Ein Engel bringt die Seele (im Form eines kleinen Kindes) ins Paradies.
Das Bild zeigt darüber hinaus auch die gesellschaftlichen Verhältnisse des 16. Jahrhunderts. Im unteren Teil des Bildes sind die Adligen und Eliten Toledos dargestellt. Das rote Kreuz identifiziert die Mitglieder des illustren militärisch-religiösen Ordens von Santiago. Auch andere Teilnehmer der Zeremonie sind im höfischen Dresscode bekleidet. Die opulenten Halskrausen sind zur Zeit der Erschaffung des Bildes der letzte Schrei in der Mode. 25 Jahre nachdem El Greco das Bild gemalt hatte, liess Philip IV diese verbieten. Die Mode ist aber nicht das einzige Bildelement, das uns zeigt, dass El Greco das historische Ereignis in die Gegenwart Toledos versetzte. Man erkennt Elemente des Begräbnisritus, wie er im 16. Jahrhundert für wichtige Personen gefeiert wurde. Zu einem ist das in der Präsenz der Bettelorden zu erkennen, weiter ist die Szene in einer nächtlichen Umgebung dargestellt und schließlich erkennt man Kinder bei der Zeremonie. Diese kleinen "Kinder des Todes", wie sie Francisco de Quevedo, ein spanischer Schriftsteller und Satiriker des Barocks nannte, waren Waisen, die bezahlt wurden, um bei Beerdigungen teilzunehmen, um eine kollektive Trauer zu vermitteln.
Den Vertrag unterschrieb El Greco 20 Jahre nachdem er Kreta verlassen hatte und 10 Jahre nach seiner Ankunft in Spanien. Dies sollte sein erster grosser Auftrag werden. Es gelang ihm nicht nur, das historisches Ereignis meisterhaft zu interpretieren, sondern er versetzte es in seine und der Auftraggeber Gegenwart, was die Gunst der Kleriker fand und El Greco einen fulminanten Start in der Stadt am Tajo bescherte. 1610 lobte der lokale Chronist Francisco de Pisa das Bild von Santo Tomé: "Fremde, kommt um das Bild zu sehen [...] dessen die Einwohner der Stadt nie müde werden".
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