Wegen seines angenehmen Klimas zog Nizza im 19. Jahrhundert englische Aristokraten in Scharen an. Die Strandpromenade erhielt daher den Namen Promenade des Anglais. Weniger bekannt ist, dass es in Nizza auch eine große russische Kolonie gab, deren Gründung auf das Jahr 1856 zurückgeht, als die Zarenwitwe Alexandra Fjodorowna hierher kam. In ihrem Gefolge weitere russische Adelsfamilien. Sie ermöglichte auch den Bau der ersten russischen Kirche in der Rue Longchamp. Als die russische Kolonie wuchs, wurde die Kirche schnell zu klein und man beschloss, einen repräsentativen Sakralbau zu errichten. Die 52 Meter hohe Kirche gilt als die größte russisch-orthodoxe Kirche außerhalb Russlands. Wären da nicht die Palmenkronen, die die Kathedrale Saint-Nicolas umgeben, könnte man meinen, auf dem Roten Platz in Moskau gelandet zu sein.
Le Negresco, eine Institution an der Promenade
Le Negresco wurde 1913 von Henri Negrescu erbaut, der davon träumte, einen außergewöhnlichen Ort für seine Gäste zu schaffen. Die rosa Kuppel des Hotels und die im Stil des 19. Jahrhunderts gekleideten Portiers sind ein Wahrzeichen der Belle Epoque an der Côte d'Azur. Seinen einzigartigen Stil verdankt es vor allem der unvergleichlichen Leidenschaft für Kunst und Geschichte von Jeanne Augier, der berühmten Besitzerin des Hauses seit 1957. Geleitet von ihrem Wunsch, eine Villa im wahrhaft französischen Stil zu schaffen, trug Frau Augier eine beeindruckende Sammlung von
mehr als 6.000 Kunstwerken, die ihre Faszination für Frankreich und seine Geschichte zum Ausdruck bringen.
An der Wand des Salon Versailles hängt das Portrait von Louis XIV von Hyacinthe Rigaurd, ein offizieles Portrait des Sonnenkönigs im Krönungsornat. Es ist ein Musterbeispiel seiner Art, da es Affektiertheit mit Pracht vermischt und ein Gefühl von Macht und Stabilität vermittelt. Ungeachtet der vergangenen Pracht geniessen wir unseren Tee und die Süssigkeiten.
Draußen auf der Promenade präsentiert sich die Côte d'Azur in bescheidenem bleu gris. Das Herbstwetter spielt leider nicht mit. Trotzdem genießen die Touristen ein paar Sonnenstrahlen.
Als Nizza zum Anziehungspunkt der Aristokratie wurde, entstanden in der Stadt und ihrer Umgebung nicht nur luxuriöse Hotels, sondern auch prachtvolle Residenzen, oft im Stil des Historismus. Die Neorenaissance-Villa Ephrussi-Rothschild ist ein schönes Beispiel dafür. Sie wurde zwischen 1905 und 1912 am Cap Ferrat erbaut.
Die Baronin war Kunstsammlerin, und die Villa beherbergt einige wertvolle Exponate, darunter ein ovales Gemälde von François Boucher. Dieses Gemälde in Form eines Medaillons zeigt ein junges Paar, das sich unterhält
Aber worüber können sie sich unterhalten? Der Titel verrät es bereits: „Von drei Dingen, werden Sie eins machen? Boucher stellt hier ein berühmtes Handspiel dar, das im 18. Jahrhundert gespielt wurde und auch heute noch gespielt wird. Jeder der beiden Partner musste seine Hand so schnell wie möglich auf die Hand des anderen legen. Wenn einer versagte, weil er seine Hand zum falschen Zeitpunkt auflegte, musste er seinem Partner einen von drei Wünschen erfüllen. Auch ein Bild von Jean-Honoré Fragonard, des Schülers von Boucher ist in der Sammlung zu sehen.
Szenenwechsel: Villefranche-sur-Mer und die Kapelle Saint Pierre
Schon in seiner Jugend fiel dem französischen Schriftsteller und Filmemacher Jean Cocteau eine kleine romanische Kapelle in der Bucht von Villefranche auf. In den 1950er Jahren entschloss er sich, die Kapelle zu bemalen - ein Grund für unseren Zwischenstopp in diesem Fischerdorf. Von der Seeseite aus ist die Kapelle kaum zu erkennen, da ihre Apsis in das gelbe Gebäude der Kapetanerie fast völlig integriert wurde.
Nachdem Jean Cocteau bei seiner Mäzenin Francine Weisweiller in St. Jean-Cap-Ferrat gewohnt und die Zustimmung der Fischer erhalten hatte, gestaltete er zwischen 1956 und 1957 das Äußere und Innere der Kapelle. Zu sehen sind Passagen aus dem Leben des Heiligen Petrus, des Schutzpatrons der Fischer, die Leuchter der Apokalypse und die Szenen aus dem Dorfleben.
Bemalung im Nartex
unten: Apis mit Szenen aus dem Leben des Hl. Petrus
Die Kirche St. Pierre genießen wir aber erst nach einem kulinarischen Höhenflug im Fischrestaurant La Mère Germaine. Das Restaurant an der Hafenpromenade wurde 1938 gegründet und ist seitdem Mittelpunkt des Dorflebens. Auch der Künstler war hier Stammgast. Zum Mittagessen bekommen wir einen wunderbaren Cabeliau serviert. Dazu passt bestens ein Pouilly-Fussie von Louis Jadot.
Auf den Weg nach Nizza halten wir noch für eine schöne Aussicht über den alten Hafen von Nizza. Eine Taube scheint die gleiche Idee zu haben
Die Rosenkranzkapelle von Henri Matisse
Die Rosenkranzkapelle der Dominikaner gehört zu den bedeutendsten Sakralbauten des 20. Jahrhunderts. Zwischen 1947 und 1951 wurde sie von Matisse in ihrer Gesamtheit gestaltet: die L-förmige Architektur des Sakralbaus, die Wandgemälde des Heiligen Dominikus, der Madonna mit Kind und des Kreuzweges, die drei Glasfenster, die Motive der lokalen Vegetation aufgreifen, der Altarraum mit dem filigranen Kreuz auf dem massiven Altar, die rosa, gelben und roten Gewänder der Priester... Ein Gesamtkunstwerk.
In diesem meditativen Kapellenraum sind wir alleine und betrachten das von Matisse gewollte Dialog und Lichtspiel zwischen bunten Fenstern und grossen auf Keramik gebrannten schwarz-weiss Zeichnungen.
Aix-en-Provence
Nach einigen Tagen schlechten Wetters an der Küste empfängt uns in Aix die Sonne, die Farben und die Lebensfreude der Provence. Wir besichtigen die Kathedrale. Eine Hochzeit wird gefeiert. Ganz in der Nähe spielt ein Rom Akkordeon. .... Wir schlendern durch die Stadt und erfahren, dass Paul Cézanne hier gelebt und gearbeitet hat.
Wir pilgern zu dem Ort oberhalb der Stadt, von dem aus er seine Bilder des Mont Sainte-Victoire gemalt hat. Dieser Berg begleitete ihn sein ganzes Leben lang: Mehr als 80 Gemälde und Aquarelle mit diesem Motiv sind aus Cézannes Oeuvre bekannt. Zum Glück ist der Ort noch nicht von Instagram-Influencern entdeckt worden und wir genießen allein und in aller Stille den fast mystischen Ort und den freien Blick auf den Berg.
Zum Abschluss der Reise: Grenoble und ein weiteres Meisterwerk von Matisse
Grenoble, die Hauptstadt der französischen Departements Isère und Dauphinè in der Region Auvergne-Rhône-Alpes im Südosten Frankreichs, liegt am Ufer der Isère und am Fuße der französischen Alpen. Wir sind hier, um ein weiteres Meisterwerk von Matisse zu sehen: Intérieur aux aubergines, 1911, eine der vollständigsten Darstellungen seines Grundthemas, der Verwandlung des Ateliers des Künstlers in eine idyllische Welt der Lebensfreude.
Wir sind heute fast allein im Museum und genießen die Zeit mit den Meisterwerken in den großzügigen, lichtdurchfluteten Räumen. Einige von uns bleiben lieber bei Matisse und seinem Atelier mit den Auberginen. Man kommt nicht oft nach Grenoble. Und das Gemälde verlässt das Musée des Beaux-Arts de Grenoble wegen seines fragilen Zustands fast nie.
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