Zu den im Römischen Reich in der Spätantike verbreiteten geheimen geschlossenen Mysterienkulten (gr. mysterion: „Geheimnis“) gehörte der Isis- und Osiriskult. Er entwickelte sich aus dem altägyptischen Isiskult und gelangte mit den römischen Legionären nach Rom. In der ägyptischen Mythologie war Isis die Gemahlin des Osiris, im griechisch-römischen Kult wurde sie zur Herrin der Unterwelt, Überwinderin des Todes und zur Muttergottheit. Der Kult gehörte zu jenen paganen Glaubensgemeinschaften, welche die Christianisierung am längsten parallel überdauerten. Während der Re-Urbanisierung Roms unter dem mächtigen Chigi-Papst Alexander VII. wurden mit den Resten eines Kultortes ein ägyptischer Obelisk ausgegraben. Alexander VII. wartete keinen Augenblick, aus diesem politisches Kapital zu schlagen: Er liess ihn als weiteres Symbol der Legitimierung der römisch-katholischen Kirche – mit ihm als den wahren Nachfolger des Römischen Reiches – im Herzen Roms aufrichten. Imperator Augustus eroberte Ägypten im 1. Jh. Die Obelisken wurden nach Rom gebracht. Jahrhunderte später nahm das päpstliche Rom diesen kulturgeschichtlichen Abschnitt durch die architektonische Neuverwendung der Obelisken in Besitz. Und deklarierte damit nicht nur die geistliche, sondern auch die weltliche Führung Roms. Wenn es um bedeutende politische Botschaften durch die Sprache der Kunst ginge, wurde kein anderer als der Bildhauer und Architekt Gian Lorenzo Bernini eingesetzt. Sein grosses Können in puncto Obelisken hatte er schon Papst Innozenz X. mit der Fontana dei Quattro Fiumi beweisen können. Nach einem nicht so glücklichen Arbeitsbesuch bei Louis XIV. wurde er von Alexander VII. beauftragt, ein Monument vor der Dominikanerkirche Santa Maria sopra Minerva zu gestalten. Seine Lösung war ebenso politisch effizient wie poetisch schön. Ein Elefant, der graziös und mühelos das grosse Gewicht der Geschichte und des Wissens trägt. Die Inschrift am Fusse lautet: Sapientis Aegypti / insculptas obelisco figuras / ab elephanto / belluarum fortissima / gestari quisquis hic vides / documentum intellige / robustae mentis esse / solidam sapientiam sustinere. In einer kurzen Zusammenfassung sagt die Inschrift, der Elefant zeige, dass es eines robusten Geistes bedürfe, um eine solide Weisheit auszuhalten.
Trotz dieser grossen Aufgabe fällt es dem Elefanten von Bernini nicht schwer, den Rüssel verspielt in der warmen römischen Luft schwingen zu lassen. Und fleissig Werbung für die römisch-katholische Kirche zu betreiben, eine der zentralen Aufgaben des römischen Barocks. Wer heute den Berninis schönen Elefanten betrachtet und den geschichtlichen Kontext nicht kennt, dem kommen vermutlich ganz andere Interpretationen in den Sinn. Schwingt er seinen Rüssel sehnsüchtig nach Afrika? Oder gar nach einem leckeren italienischen Gelato der Gelateria "Minerva", nur wenige Schritte entfernt?
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