heute lade ich Sie gerne zu einem Spaziergang durch Rom ein. Dazu habe ich einige Photos für Sie ausgesucht, die während meiner Römerzeit entstanden sind. Dabei werden Sie auch einige Einblicke zur Geschichte und den Kuriositäten, die diese Orte beheimaten, auf diesem kurzen Nachmittagsgang durch Rom erhalten.
Alora, facciamo due passi .
Villa Borghese an einem Sommernachmittag
Am Nachmittag versucht der frische Meereswind die heisse Stadt abzukühlen. Bereits die alten Römer nannten ihn Zefiro. Wir befinden uns im Grünen, und wie eine Kathedrale der Kunst ragt im Herzen des Parco Borghese eine Villa empor; die Villa Borghese. Das Gebäude hat den Typus einer "Villa Suburbana". Also den Typus jenen Villen, die am Stadtrand Roms entstanden sind.
Eine solche Villa ist die Villa Borghese. Hier wird seit dem 17. Jahrhundert die preislose Sammlung des Cardinal Scipione aufbewahrt. Wenn ich in Rom nur ein Museum besuchen dürfte, dann wäre es bestimmt dieses. Der Cardinal Scipione hatte ein ausgesprochen gutes Auge und als Neffe des mächtigen Papstes Paul V. war er darin sehr erfolgreich, das Beste auf dem römischen Kunstmarkt zu akquirieren oder von weniger potenten Römer zu enteignen. Raffaels "Deposizione Baglioni", Caravaggios "David", Berninis "Der Raub von Proserpina" – um hier nur einige der grossen römischen Künstlern und deren Werke zu nennen. 1608 kaufte der Cardinal auch ein berühmtes Bild von Tizian, das im Inventar von 1693, unter "Amor Divino e Amor Profano" (Die göttlichen und die profanen Liebe) geführt wird. (Zu einem virtuellen Besuch dieses Werkes und anderer wertvoller Kunstwerke der Villa Borghese gelangen Sie unter der "Galerie" Tab.)
Wir setzen unseren Spaziergang fort. Nach dem Besuch der Galleria Borghese bietet sich der grosse, umkreisende Park hervorragend an, um auf einer Bank im Schatten der uralten Eichenbäume Platz zu nehmen und innezuhalten. Und dann begehen wir uns entspannt in Richtung Pincio.
Ein Blick von Pincio
Von hier aus erstreckt sich der Blick weit über den Horizont Roms hinaus. Wie von vielen anderen erhöhten Flecken Roms aus, wird die Stadt von der Ansicht der Petersdomkuppel dominiert – von "il Cupolone", wie die Römer liebevoll ihre Kuppel nennen. 18 Päpste und 9 namhafte Architekten hatte es gebraucht, bis der Petersdom unter dem Papst Paul V. (dem berüchtigten Onkel von Cardinal Scipione) vollendet wurde. Der erste Entwurf für den Bau stammte von Donato Bramante, der bis zu seinem Tode Bauleiter des Projekts war. Darauf folgten Raffael, Giuliano und Antonio da Sangallo. Im Jahr 1547 übernahm Michelangelo Buonarroti die Bauleitung. Auf ihn geht die monumentale Hauptkuppel zurück. Die Fertigstellung der Kuppel erlebte er nicht mehr. Als er im Jahre 1564 starb, hatten erst die Arbeiten am Tambour begonnen.
Von Pincio aus, laufen wir auf der Viale della Trinità dei Monti weiter, entlang der Villa Medici. Luis XIV liess in dieser Villa 1666 die Französische Akademie errichten. Balthus und Ingres waren einige der vielen bekannten Direktoren der namhaften Französischen Akademie.
Wir laufen weiter und spazieren an der Residenz des englischen Romantikers Keats, am Kopf der Spanischen Treppen vorbei bis hin zum Antico Caffé Greco, dem Stammkaffeehaus von Stendhal, Ibsen, Keats, Wagner und Bertel Thorvaldsen, – einem weiteren Wunschrömer oder Auslandsrömer, der zusammen mit Canova den Klassizismus zum Weltruhm brachte. Ich erinnere Sie gerne, dass wir einen Canova heute in der Villa Borgese gesehen haben: das laszive, liegende Portrait von Paolina Bonaparte, der Schwester von Camilo Borghese. Ein Grund genug, um im Café Canova-Tadolini einzukehren. Dieser Ort ist schräg: klassische Skulpturen, modische Kellnerinnen, ein improvisiertes Bildhaueratelier und ein wenig Kitsch. Aber wie in vielen anderen eklektischen Orten in Rom, kommt auch das hier irgendwie gut an.
Im Café Canova Tadolini: zwei Serviertöchter gestikulieren, unter den Augen des Papstes ungestört.
Von der Bar "Canova Tadolini" aus biegen wir in die Via Babuina ein und flanieren zum Largo Carlo Goldoni (hier wohnte einst der grosse venezianische Dramaturg). Wir halten in der Kirche San Lorenzo in Luchina kurz inne. Die Kirche ist wenig besucht, obwohl sie eine wertvolle Bernini-Büste und das Grabmal von Nicolas Poussin beinhaltet.
Nach wenigen Metern entlang des Palazzo Montecitorio, erreichen wir das "Giolitti" (Antica Gelatteria e Pasticeria), eine echte kulinarische Institution Roms. Im Jahre 1890 eröffneten Giuseppe und Bernardina Giolitti eine "Latteria" und wurden bald die Hoflieferanten der Casa Reale. Im Jahre 1900 begann hier die Produktion des heute wohl berühmtesten Eises in Rom. (Aus 60 Geschmacksrichtungen würde ich Ihnen vielleicht Maron-Glace in der Kombination mit Pistazien empfehlen).
Erfrischt und weiterflanierend, finden wir uns bald vor dem majestätischen Pantheon wieder. Das möglicherweise bereits unter Kaiser Trajan um 114 n. Chr. begonnene und unter Kaiser Hadrian zwischen 125 n. Chr. und 128 n. Chr. fertiggestellte Pantheon hatte die grösste Kuppel der Welt und gilt allgemein als eines der am besten erhaltenen Bauwerke der römischen Antike. Im Jahre 1402 kam der Architekt Brunelleschi nach Rom und studierte die Struktur des Pantheons, um eine Lösung für den Bau der berühmten Kuppel der Santa Maria dell Fiore in Florenz zu suchen.
Im Pantheon
Am 6. April, am Karfreitag des Jahres 1520 ist Raffael Sanzio nach kurzer Krankheit an seinem 37. Geburtstag in Rom gestorben. Beweint von vielen illustren Römern (unter anderen auch vom Medici Papst) wurde er in einer Prozession ins Pantheon gebracht und dort begraben. Auf der Wand, links von seinem Grab, steht eine Inschrift. Wort für Wort übersetzt lautet diese: «Raffael Sanzio, dem Sohn des Giovanni, von Urbino, dem herausragendsten und mit den Alten wetteifernden Maler: Wenn du dessen nahezu atmende Bilder betrachtest, kannst du ein Bündnis der Natur und der Kunst leicht daraus ersehen. Der Päpste Julius II. und Leo X. Ruhm hat er durch Werke der Malerei und der Architektur gemehrt. Gelebt hat er 37 Jahre, (selbst) ohne Fehl, (Jahre) ohne Fehl: An dem Tag er geboren ist, an dem hat er aufgehört zu sein: am 8. Tag vor den Iden des April 1520.»
Als Raffael starb war er mit der Arbeit für die römische Residenz des Super-Bankiers Agostino Ghigi eben fertig geworden. Dazu liefert Vasari eine pikante Geschichte, die ich sinngemäss zu übersetzen versuche: …
«Damit er (Raffael) Agostino Ghigi, dem überreichen Bankier von Siena, die Loggien in seinem Palast vollenden sollte, aber da er sich der Arbeit nicht genug widmen konnte, weil er wegen der Liebe für eine Frau stark abgelenkt wurde, beschloss Agostino, mit Hilfe von anderen, diese Frau in den Palast einziehen zu lassen, damit sie bei ihm jederzeit anwesend sein könnte. Und dies war der Grund, weshalb die Arbeit vollendet wurde.» Diese junge Frau aus dem Text Vasaris war eine schöne Bäckerstochter aus dem Trastevere Quartier; aus diesem Grund mit dem Spitznamen "La Fornerina" (Forno = Ofen) bekannt. Aber die Geschichte geht weiter. Nach einer wilden Nacht (in Farnesina?) mit seiner Liebhaberin, erkrankte Raffael an der Influenza, an der er nach kurzer Krankheit erlag... Ob diese Überlieferung stimmt, wissen wir natürlich nicht. Bestimmt ist nur, dass Raffael seine Unterschrift auf dem "Porträt von einer jungen Frau" (siehe Bild unten) in das Schmuckband, das den linken Arm der Frau elegant umkreist, anbrachte. Die Inschrift im Schmuckband lautet: RAFAEL VRBINS - Raffael von Urbino.
Nächste Woche setzen wir unseren Sonntags-Spaziergang durch Rom weiter. Dann haben wir einen Termin mit Caravaggio. Und wir bleiben zusammen unterwegs, bis das Virus vorbeizieht. Dann reisen wir gemeinsam, und zwar nicht nur im übertragenen Sinne wieder zur Kunst.
Wenn Ihnen diese Spaziergänge gefallen, dann leiten Sie sie bitte an Ihre Freunde weiter.
Und, wie man sich in Rom begrüsst:
„un abbraccio“
Bo Kojich
"Porträt einer junger Frau" oder auch: "La Fornarina", Raffael, 1518-1520, Galleria Nazionale, Rom
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