1788 malte der junge Goya diese heitere Szene am Ufer des Flusses Manzanares, am Tag des Heiligen Isidro. Im Hintergrund sieht man das sonnige Madrid, mit der grossen Kuppel der Kirche des Stadtpatrons. Im gleichen Jahr wurde Goya zum Hofmaler Karls IV. Auch das zweite, düstere Bild ist ein Bild der Pilgerfahrt am Tag des Heiligen. Diesmal aber: Eine Pilgerfahrt des Schreckens. Zwischen diesen zwei Bildern sind 40 Jahre des Lebens und des Schicksals eines Künstlers und jenes seines Landes vorbeigezogen. Die Zeit verändert die Welt. Die Zeit verändert den Künstler. Die Zeit malt mit. Oder, wie es Goya ausdrückte: "El tiempo también pinta.“
Die Zeit des 18. Jh. ist die Zeit der grossen Umbrüche. Das Jahrhundert der Aufklärung endet mit einer blutigen Revolution und mit dem Aufstieg von Napoleon Bonaparte. Es entsteht eine neue Karte Europas. Auch das spanische 18. Jahrhundert beginnt mit einem grossen Umbruch: In der spanischen Hauptstadt stirbt 1701 Karl II., der letzte Monarch aus dem Haus der spanischen Habsburger, ohne legitimen Erben. Der französische König Louis XIV. akzeptiert Karls Testament, und Louis’ Enkel wird schon einen Monat später in Madrid als Philipp V. (Felipe V. 1700-1746) zum König von Spanien gekrönt. Von da an herrschen die Bourbonen über Madrid. Es sind keine schönen Gesichter und keine glänzenden politischen Persönlichkeiten, die Goya porträtiert. Nachdem Karl 1788 König geworden war, beschäftigte er sich fast ausschließlich mit der Jagd. Die Amtsgeschäfte überliess er seiner Frau und damit auch Manuel de Godoy, den der König trotz dessen Beziehung zu seiner Frau sehr schätzte. Nicht zufällig setzt Goya im 1800-01 entstandenen Porträt die Königin ins Zentrum der Komposition. Der Blick des Königs ist abwesend, in die Ferne schweifend. Wann ist wohl die nächste Jagd geplant?
1807 begann der napoleonische Krieg auf der iberischen Halbinsel. Der König und Godoy sind nach Paris geflüchtet. Das Volk Spaniens leidet, kämpft und blutet. Bilder und Grafiken Goyas dokumentieren die Gräueltaten der Invasoren (Desastres de la guerra oder Die Schrecken des Krieges in Colección Ibercaja, Saragossa).
Die Zeit und der Künstler
Auch die Zeit der persönlichen Dramen des Künstlers malte mit ihm mit. Im Herbst 1792 wurde Goya schwerkrank und taub. In dieser wohl tiefsten Krise seines Lebens, zeitgleich mit den Exzessen der Französischen Revolution und der gescheiterten Aufklärung Spaniens, verfinstert sich Goyas Gemüt. Durch die Taubheit abgeschieden von der Aussenwelt, verfinstert sich fortan auch seine Kunst. Seine Bilder werden pessimistisch, dunkel und grüblerisch.Von den hellen Bildern eines sorglosen Lebens der Majas und Majos in den Strassen und Vororten Madrids verändert die Zeit seine Palette in die Dunkeltöne der Pinturas Negras. In seinem Landhaus Quinta del Sordo ausserhalb von Madrid und weit entfernt von adeligen Residenzen, wo seine Porträts immer noch hängen, malt er die Dunkelheit seines Gemütes an die Wände des eigenes Hauses. Diese unglaublich stark wirkenden Bilder sind aus konservatorischen Gründen nur im Prado in Madrid zu sehen. Ein weiterer Grund, Goya in Spanien zu begegnen.
Kurz vor seinem Tod kehrte die Farbigkeit in seine Kunst zurück. Das Milchmädchen (La lechera de Burdeos), 1827 entstanden und wohl das letzte Bild Goyas, lächelt heute geheimnisvoll im Prado.
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