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Kojich Reisen zur Kunst

GOYA: Was sich nicht ausstellen lässt


Eine Ausstellung, unabhängig von ihrer Grösse und der Ambitionen des Kurators, kann nur ein Fenster zum Œuvre des Künstlers sein. Deswegen ist es manchmal interessant und wichtig, genau darüber nachzudenken, was man nicht gesehen hat.

Meiner Meinung nach lassen sich die ungezeigten Aspekte der Goya Ausstellung in der Fondation Beyeler auf zwei Komponenten reduzieren: eine soziologische und eine kontextuelle. Dies kann man gar nicht als Vorwurf eines Makels an der Ausstellung formulieren, vielmehr ist es dem Format der Kunstausstellung selbst inhärent, dass Bilder aus ihren Kontexten herausgerissen werden und an einem anderen Ort im Rahmen eines Museums gezeigt werden.

Goya war ein Maler des spanischen Adels und der Aristokratie. Auf der motivischen Ebene finden wir Angehörige des Hofes ebenso wie einfache Menschen. Der Hof vergnügte sich in den privaten Gemächern mit amüsanten, romantischen und leicht satirischen Genrebildern aus dem idealisierten Alltag der einfachen Madrilenen. Anders in den formellen Räumlichkeiten des Hofes. Dort dominierten die Portraits mit ihren Symbolen der Macht. Sie erzählen eine geschickt inszenierte Geschichte ihrer Auftraggeber. Aufgehängt wurden sie in Räumen, die die politische Wichtigkeit und die monetäre Potenz ihrer Besitzer unterstrichen. Glitzernde Kronleuchter, sanft schimmernde Seidentapeten, schwere Vorhänge aus Damast, ein imposanter Marmorkamin mit einem Spiegel darüber; in dieses Ensemble fügten sich die Gemälde Goyas problemlos ein. Bei einer Ausstellung wäre es nützlich, diese Räume vor Augen zu haben.


Am Beispiel des Porträts von Ferdinand VII., das für den Palacio Real in Madrid gefertigt wurde, erkennen wir, wie gut uns der Kontext und die sozialen Erwartungen helfen, das Bild zu verstehen. Der Auftraggeber hatte konkrete Erwartungen und Goya wusste genau, wie er diese erfüllen konnte.

Der grobe Pinselduktus Goyas am Umhang und den prächtigen Orden des Königs mag uns im ersten Moment überraschen, auffällig steht er im Widerspruch zur feinmalerischen Ausgestaltung des Gesichts. Doch vergegenwärtigen wir uns den Kontext, so wird klar, dass die grobe Struktur des Umhangs perfekt auf die Wahrnehmung im flackernden Kerzenlicht der Kronleuchter abgestimmt ist. Auch im Halbdunkel erkennt man sofort den Brokat des Umhangs, mehr noch, man erkennt die wichtigen Orden, die Ferdinand trägt, auch aus der Distanz. Aus diesem Grund hat Goya die Kette des Ordens des Goldenen Vlieses auch etwas kürzer gestaltet, als sie tatsächlich ist. So kommt der Anhänger des Ordens auf dem weissen Hermelinkragen des Umhanges zu liegen und ist dadurch besser zu sehen.

Natürlich kann das in einer Ausstellung nur in der Fantasie geschehen. Wenn man nach Madrid und ins kastilische Umland reist, ist der Kontext wesentlich besser zu verstehen. Dort stehen sie noch, die königlichen und herzoglichen Paläste, die Kirchen und Sammlungen, in denen die Bilder Goyas einst hingen oder bist heute am originalen Aufstellungsort hängen.


Zu diesen Orten reisen wir im nächsten April.

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