Wie so manche Kunstströmungen und stilistischen Ausprägungen, geht auch die Bezeichnung des Impressionismus auf die Wortwahl eines zeitgenössischen Kritikers zurück: So findet die Strömung ihren anekdotenhaften Eingang im Aufgreifen eines Gemäldes von Claude Monet durch den Kritiker L. Leroy. Das Gemälde von Claude Monet, welches Anlass zum ästhetischen Ausdruck werden sollte, zeigte ein Seestück mit dem Hafen von Le Havre, welches Monet mit dem Titel impression, soleil levant versah. Der Kritiker L. Leroy, welcher 1874 die Pariser Ausstellung mit diesem Gemälde und anderen zeitgenössischen Werken besuchte, bezeichnete die dort ausstellenden Künstler fortan als Impressionisten.
Vieles lässt sich über die Kunstströmung des Impressionismus sagen, welcher über anderthalb Jahrhunderte nach seiner Entstehung noch heute weltweit fasziniert und die moderne Kunst nachhaltig prägte. Mit ihrem virtuosen, skizzenhaften Pinselfluss zeichnet sich die Malerei des Impressionismus durch eine Unmittelbarkeit aus, die den Schönheiten der Alltäglichkeit Ausdruck verleihen möchte. Die Modernität der impressionistischen Malerei ist durch die stimmungsvolle Darstellung von ausschnitthaften Momentaufnahmen gekennzeichnet, deren scheinbar spontane Wiedergabe der atmosphärischen Bedingung zur malerischen Hauptaufgabe wurde. Programmatisch für die Strömung war die Ansicht der Farbwirkung als Folge von Licht und Atmosphäre, und Farbe wurde demnach als Träger des Lichts gefeiert. Nicht selten zeichnet sich der virtuose Pinselfluss und die lose Setzung von Farbe durch eine Lebendigkeit des Bildeindruckes beim Betrachter aus, die mit der Bewegung vor dem Gemälde weiter aktiviert wird.
Die Charakteristik dieser Kunstströmung, welche sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts formte, scheint also in der unmittelbaren Übersetzung einer Seherfahrung in Lichtspiele durch Farbe zu gründen. Sie sehen, es scheint sehr naheliegend, beim Impressionismus an Malerei zu denken; und wie Sie erahnen können, macht es die programmatische Bedeutung von Farbe als Träger von Licht, der Kunstgattung Skulptur nicht besonders leicht, um sich in der Strömung einzufinden.
Gibt es überhaupt impressionistische Skulptur? Diese Frage hatten sich bereits die Impressionisten gestellt und kontrovers diskutiert. Wie kann die dem Wesen nach statische Skulptur Momenthaftigkeit zum Ausdruck bringen und belebte atmosphärische Lichtwirkung übersetzen? Indem sie die Formbildung der Skulptur überdenkt, in einem Sinne, wie sie der revolutionäre Wegbereiter Auguste Rodin erprobte.
Eugène Carrière, Rodin Sculptant (1900). Im Bildnis Rodins lässt Carrière die Hände Rodins mit seinem Werk verschmelzen
Um den Eindruck der Schwere der Materie aufzuheben und die Formwirkung durch eine unruhige Oberflächengestaltung zu dynamisieren, zeichnet sich Rodins skulpturale Werke von einer Arbeitsweise der Plastik aus. Wird für die Hervorbringung der Skulptur Materie abgetragen, so werden bei der Plastik weichen Materialien wie Ton und Wachs aufgetragen und geformt. Auch wenn Rodin seine in weichen Materialien modellierten Plastiken in Bronzegüsse zum vollendeten Werk überführte, ist ihre Wirkweise eine dem Modell nahestehende. Impressionistische Skulpturen greifen die Plastik auf und lassen die Lichtspiele anstelle des virtuosen Pinselauftrages durch die Bearbeitung der weichen Materie im Abdruck der formenden Hand wiederspiegeln. Die unruhige Oberflächengestaltung verleiht den Arbeiten belebte Lichtspiele und lässt sie auch scheinbar unvollendet erscheinen, um dem ästhetischen Problem der Impression Ausdruck zu verleihen.
In einer Kunstströmung, die vornehmlich in der Malerei ihre Form findet, aber als Stilrichtung in weitere visuelle Medien übertragen wurde (Photographie und Film, wie auch in den sich über Zeit entfaltenden und somit ebenfalls der jeweiligen Momenthaftigkeit geschuldeten Künsten in Literatur und Musik), stellte die Skulptur als Medium zunächst ein Problem dar. Die Lösung für dieses Problem lag in der Übersetzung einer visuellen Erfahrung in eine taktile. Die naheliegende Frage, die sich nun stellt: Ist des Malers Pinsel lediglich eine verlängerte Hand?
Interessanterweise liegt in der Verbindung von tastenden und sehenden Erfahrungen ein Schlüssel im Verständnis der modernen Kunst seit dem 19. Jahrhundert. Und je weiter das 19. Jahrhundert fortschreitet, desto mehr wird die Frage nach dem kohärenten Ganzen sinnlicher Erfahrung gestellt. So stellt beispielsweise die Diskussion um Stimmung immer mehr die Frage nach dem Zusammenspiel aller Sinne und Ausdrucksformen.
Zwar aus der psychologischen Disziplin entliehen und auf das Forschen des Psychologen A. Vulipan Mitte der 1960er-Jahre zurückzuführen, wird dieses künstlerische Prinzip unter dem Begriff der Synästhesie gefasst. Der Begriff meint das simultane Zusammenwirken aller Sinne. Durch das kategorische Aufheben von Grenzen eröffnet sich das Vermögen, mit Farben zu hören, mit Musik zu malen und mit Händen zu sehen.
Carla-Patricia Kojich
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