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Kojich & Felder Reisen zur Kunst

Maulbronn - Eintauchen ins Mittelalter

„Selten ist eine mittelalterliche Klosteranlage so vollständig und so gut erhalten; man vermag sich noch in das klösterliche Leben mit Allem, was dazu gehörte hinein zu versetzten, denn nicht blos [sic!] die Kirche und die eigentlichen Klosterräume, auch alle die staatlichen und dauerhaften Nebengebäude, die einst den reichen Klosterhaushalt vermittelten, stehen noch aufrecht und geben uns, wie kaum ein anderes Cistercienserkloster in Deutschland, einen Begroff von der großartigen und heilsamen Thätigkeit dieses um die Kultur des Mittelalters shochverdienten Mönchsorden.“

 

Mit diesen wenigen Worten umriss der spätere Konstervator der Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg, Eduard Paulus (1837-1907), in seiner 1873 erstmals erschienen Gesamtdarstellung Maulbronns die künstlerische wie historische Bedeutung der Klosteranlage. An Paulus‘ Einschätzung der Maulbronner Klosteranlage hat sich bis heute wenig geändert. Maulbronn gilt als die am besten erhaltene mittelalterliche Klosteranlage nördlich der Alpen. Der aussergewöhnlich gute Erhaltungszustand des Klosterbereichs mit der Klosterkirche und der Klausur sowie der Nebengebäude einschliesslich der Klosterummauerung und der wassertechnischen Anlagen fand 1993 seine entsprechende Würdigung, als der Maulbronner Klosterbezirk in die UNSECO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde.



Das Kloster Maulbronn wurde als Zisterzienserkloster in Abgrenzung zu den Cluniazensern im Jahr 1138 durch eine Stiftung von Walter von Lomersheim gegründet. Damit steht Maulbronn in einer langen Tradition von Stiftungen zisterziensicher Klöster durch den niederen Adel, wie man das auch in Ebrach (1119), Salem (1134) oder Bronnbach (1151) beobachten kann.


Die Ausbreitung des Zisterzienserordens in Süddeutschland ist eng mit der Wirkungsphase des hl. Bernhard von Clairvaux verbunden, welcher durch seine Schriften den Orden popularisierte und vor allem beim niederen Adel zu Stiftungsinitiativen führte. Diese erste Gründung des Klosters Maulbronn stand auf dem Stiftungsgut von Walter von Lomersheim in Eckenweiher, doch bereits 1147 verlegte der Speyrer Bischof Günther (1146-1161) an den fundus nostre ecclesie in Maulbronns. Die wird massgeblich damit zu erklären sein, dass das Stiftungsgut von Lomersheim kaum ausgereicht haben dürfte, das Kloster langfristig abzusichern und hier der Bischof selbst weitere Ländereien hinzustiftete und folglich das Kloster auf das neue Stiftungsgut verlegte.


Wie diese erste Zisterze ausgesehen mag, weiss man nicht genau. Vermutlich wurden zunächst hölzerne Bauten errichte, die nach und nach durch Massivbauten ersetzt wurden. Hierbei dürfte es sich um relativ einfache Gebäudestrukturen aus langgestreckten Flügeln gehandelt haben, die um den Kreuzgang angeordnet waren. Auch für die ersten in Stein ausgeführten Maulbronner Bauten kann man lediglich Vermutungen anstellen. Die Blüte des Klosters kam mit dem 8. Januar 1156, als Kaiser Friedrich I. Barbarossa in Speyer eine Urkunde ausstellt, in der er die dem Kloster Maulbronn gestifteten Güter bestätigte und das Kloster unter seinen kaiserlichen Schutz stellte.


Der kaiserliche Schutz konnte allerdings nur dann erffektiv sein, wenn die Stellung des Kaisers innerhalb des Heiligen Römsichen Reiches gefestigt war. Waren die Reichsverhältnisse unsicher oder die Position des Königs oder des Kaisers angefochten, dann war auch die kaiserliche Schutzvogteil nur ein schwaches Mittel, Übergriffe auf das Kloster abzuwenden. Aus diesem Grund war das Schicksal Maulbronns sehr eng mit dem Schicksal der deutschen Könige und Kaiser verwoben. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb das Kloster im 13. Jahrhundert die Vogtei an den Bischof von Speyer übertrug. Während die Kaiser der Heilig Römischen Reiches über d as ganze Mittelalter immer wieder ihre Legitimität unter Beweis stellen mussten, strahlten die Bischöfe des Reiches eine grössere Kontinuität aus.


Es war vor allem das 16. Jahrhundert, dass dem stetigen Aufstieg des Klosters empfindliche Stiche versetzte. Während des bayerisch-pfälzischen Erbfolgekrieges belagerte Ulrich von Württemberg 1504 das Kloster, 1525 wurde das Kloster während des Bauernkrieges abermals angegriffen und geplündert. Nach der Reformation geriet das Kloster im protestantischen Württemberg zunehmend unter Druck. 1556 schliesslich wurde das Kloster nach dem Schmalkaldischen Krieg und dem Erlass der Württembergischen Klosterordnung in eine Schule umgewandelt. Bis heute befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Klosters ein Gymnasium.

 

Das Kloster präsentiert sich heute dem Besucher als ein komplexes Gefüge mittelalterlicher Bauten, die in einem Text wie diesem hier kaum ausreichend gewürdigt werden können. Neben den beeindruckenden Gebäuden wie der Klosterkirche, dem Paradies, den Refektorien sind es vor allem die kleinen Gebäude wie das Wachhaus, die Klosterbäckerei oder die Klostermühle, die den Charme dieser einzigartigen Klosteranlage ausmachen und dem Konservator Eduard Paulus bis heute recht geben.



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