Das Kunsthaus in Zürich hat einen Erweiterungsbau von David Chipperfield erhalten. Neben der Verdoppelung der Ausstellungsfläche sind auch Zuwächse bei der Dauerpräsentation der Sammlung in Form von Dauerleihgaben zu verbuchen.
Das Kunsthaus in Zürich ist im Gegensatz zu vielen anderen Museen in größeren Städten keine städtische Sammlung, sondern im Kern die Sammlung des Zürcher Kunstvereins. Diese ‘Vereinssammlung’ wird aber schon seit vielen Jahren staatlich unterstützt und darf damit mittlerweile mit einem zugekniffenen Auge auch als Kunstsammlung der Stadt angesprochen werden. Diese Sammlung wurde über lange Jahre im Hauptbau von Karl Moser aus dem Jahr 1910 präsentiert, ehe es in den 1950er Jahren einen ersten Erweiterungsbau erhalten hat. Im Zuge des Museumsbooms, den wir in den letzten 20 Jahren auch mit Blick auf die Schweizer Situation (Erweiterungsbau Kunstmuseum Basel, Erweiterungsbau Landesmuseum Zürich, Erweiterungsbau Fondation Beyeler, um nur einige zu nennen) beobachten können, mag es nicht überraschen, dass auch das Kunsthaus in Zürich seine Ausstellungsfläche und die damit verbundenen Aufenthaltsräume vergrößern und den heutigen Ansprüchen anpassen wollte. Bei der Wahl des Architekten fiel die Entscheidung auf David Chipperfield und sein Londoner Studio Chipperfield Architects. Am letzten Wochenende wurde nach jahrelanger Bauzeit der Erweiterungsbau eröffnet. Er ging einher mit der Diskussion um ausgestellte Werke und, wen mag es überraschen, die Architektur.
Der erste Streitpunkt liegt in der Architektur. Den einen ist das Museum zu gross, den anderen ist es im Stil zu langweilig. Der erste Vorwurf ist in der Schweiz kein neuer. Oft hört man, etwas wäre zu klotzig geplant. Wie auch immer die einzelne Meinung gelagert sein mag, so scheint die Grösse des neuen Hauses der Sammlung durchaus angemessen und vor allem schliesst das Gebäude auch die bislang offene Seite des Heimplatzes in gelungener Weise. Der Bau bekommt dadurch auch eine städtebauliche Qualität. Der zweite Kritikpunkt ist David Chipperfiel bereits bekannt. Er ist der Erbauer des Folkwang Museum in Essen und der James-Simon-Galerie auf der Museumsinsel in Berlin, bei beiden Museumsbauten kam der gleiche Vorwurf. Was die einen langweilig nennen, bezeichnen die anderen als klassisch. David Chipperfield bedient sich in Zürich eines klassischen Minimalismus’. Die Struktur der Fassade ist schnell erfasst, der Baukubus bietet keine Überraschungen und in der Materialisierung setzt er auf Naturstein. Die Räume im Innern sind als klassische Enfilade geplant. Eine ähnlich klassische Lösung findet er mit dem Foyer: Es ist für alle frei zugänglich uns soll als gedeckter Aufenthaltsraum für jede und jeden gelten. Unweigerlich ist man an Florentiner Palazzi erinnert, deren Loggien der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden, damit die großen Bauprojekte nicht auf städtischen Widerstand stossen. Diesem Umstand ist sich der Architekt aber auch durchaus bewusst, wenn er sich in der NZZ zitieren lässt, die Halle werde ‘nie ein wirklich öffentlicher Raum sein, auch wenn sie vielleicht so wahrgenommen werden kann. Wie eine große Schalterhalle gehört sie zu einer privaten Institution, will aber auch Teil des Gemeinwesens sein’. Diese Halle im Erdgeschoss des Erweiterungsbaues fasst wie vielleicht kein anderes Bauelement die Aspekte zusammen, die hier zum Tragen kommen: Die der privaten Institution des Kunsthauses, der städtebaulichen, kulturellen, bildungspolitischen und sicherlich auch touristischen Interessen der Stadt und die der Öffentlichkeit, die nicht nur als Konsument, sondern als Gestalter und Gestalterin auftreten will.
Wie sehr diese Aspekte zu einer Kontroverse führen können, zeigt sich auch an der Erweiterung der Sammlung durch Dauerleigaben aus privaten Kunstsammlungen. Die Zugewinne des Kunstmuseums durch die Sammlungen Merzbacher und Looser waren unproblematisch und dürfen als überaus wertvolle Ergänzungen der Sammlung gewertet werden. Vor allem die Dauerleihgaben aus der Sammlung von Werner Merzbacher, der 1939 als erlfjähriger Junge vor den Nazis in die Schweiz floh, darf als Akt der Dankbarkeit der Stadt Zürich gegenüber verstanden werden und erhält damit auch einen hohen symbolischen Wert. Ganz anders verhält es sich mit der Sammlung Bührle, die mit rund 170 vollständig als Dauerleigabe im neuen Erweiterungsbau präsentiert wird. Der Gründer der Sammlung, Emil Bührle, war in seinen besten Jahren wohl einer der reichsten Schweizer. Genau dieser Reichtum ist es aber, der nun auf dem Tisch liegt. Bührle verdiente sein Geld im Waffenhandel mit den Nazis. Kann eine solche Sammlung einfach in eine staatsnahe Sammlung integriert werden? Welchen Auftrag hat das Kunsthaus in Bezug auf die Aufarbeitung und Vermittlung? Wie kontextualisiert man diese Bilder, die mit dem abgepressten Geld und dem Leid unzähliger Juden und von den Nazis verfolgter Minoritäten gekauft wurden? Das Kunsthaus präsentiert die Sammlung auf immerhin 20 Räume verteilt, was in der neuen Präsentation ein enormer Anteil ist. Darüber hinaus ist unklar, ob es restitutionspflichtige Bilder in der Sammlung gibt, die Bührle von Juden in Notlagen zu einem unverhältnismässig günstigen Preis gekauft haben könnte. Lediglich in einem Raum hat das Kunstmuseum jetzt einen Dokumentationsraum eingerichtet, über Restitutionen schweigt man sich aus. Reicht das? Pikantes Detail: Die Forschung, ob restitutionspflichtige Bilder in der Sammlung zu finden seien, hat die Bührle-Stiftung selbst vorgenommen. Wenig überraschend kam man zum Ergebnis, keine solche Bilder in der Sammlung zu besitzen.
Über beide Kontroversen wird in den nächsten Jahren zu reden sein, die Öffentlichkeit hat daran einen wichtigen Anteil.
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