Ein schönes Phänomen der Kunstbetrachtung – auch der historischen Kunst – ist , dass sie durch die eigene Gegenwart des Betrachtenden beeinflusst wird. Wir schauen anders auf die griechischen Ruinen als die antiken Hellenen, wir betrachten die Kunst der Moderne anders als jener, der das Tosen der Dampfmaschinen in den Fabriken noch selbst erlebt hat. Ein solches Beispiel ist mir auch vor kurzem untergekommen. Das Portal (vor 1130) der romanischen Abteikirche von Conques am Jakobsweg ist mir seit vielen Jahren bekannt. Der Aufbau des figurenreichen Jüngsten Gerichtes würde es verdienen, hier einiges zu erzählen. Ein kleines Detail hat aber diese Woche mein Blick für einen Moment festgehalten und mich schmunzeln lassen.
Am äußersten Rand des Portals sehen wir kleine Gesichter, die scheinbar hinter dem Bogen hervorgucken können. Der harte Stein wird weich in ihren Händen und sie schauen hinunter auf die Besucher, die auf ihrer Pilgerfahrt – sei sie nun religiös oder touristisch motiviert – die Kirche besuchen. Bis heute sind sie der Forschung ein Rätsel.
Als ich diese Woche ein Detail dieses Guckers angeschaut habe, konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, erinnerte er mich mit seiner demonstrativ über den Bogen gestreckten Nase doch so sehr an die Mitfahrer im Tram, die ihrer Nase über der Maske ein wenig frische Luft verschaffen wollen.
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